Tajikistan – Das Land der Berge

Nach dem Wüstenstaat Usbekistan begeben wir uns in ein Hochgebirgsland. 90 % der Landesfläche besteht aus Bergen, 50% befindet sich gar über 3000 Metern über Meer. Nicht grundlos wird das Land also auch gerne und liebevoll “Das Dach der Welt” genannt.

Der Grenzübergang von Usbekistan nach Tajikistan verläuft relativ unspektakulär. Nach einem etwas lächerlichen Desinfektionsbad für unseren Landcruiser – es handelte sich eher um eine 20 cm tiefe Schlammpfütze – sind wir nach gut 3,5 Stunden bereits in Tajikistan. Unterdessen ist jedoch tiefe Nacht und wir beschliessen uns ein Hotel in der nächstgelegenen Stadt, Khujand, zu gönnen. Einfacher gesagt als getan… nach stundenlangem Herumirren werden wir endlich fündig. Die bezahlten 50 USD ist es zwar nicht wert, aber wir haben ein Dach über dem Kopf und unser Auto einen sicheren Parkplatz.

Die Hotels in Zentralasien sind tendenziell völlig überteuert – Preis/Leistung ist in keinem Verhältnis, besonders dann nicht, wenn man bedenkt wie günstig sonst alles hier ist. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass nur Touristen oder reiche Businessleute ein Hotel benötigen, der Durchschnittsbürger wird kaum einmal in seinem Leben ein Hotel betreten.

Am nächsten Tag erwachen wir früh morgens durch laute Marschmusik und russische Volkslieder auf den Strassen. Ein Blick auf den Kalender erklärt alles. Heute ist der 9. Mai. Vor genau 70 Jahren kapitulierte Deutschland im zweiten Weltkrieg. Dies wird hier noch jährlich gefeiert und wie wir am eigenen, noch müden Leib erfahren, zum 70igsten Jubiläum noch etwas mehr, und etwas lauter. Man munkelt, dass es für viele Tajiken besonders tragisch gewesen ist. Viele von ihnen wurden an die vorderste Front geschickt, da es sich um einfach Bauern handelte und man deren Verlust als erstes in Kauf nahm– tragisch, aber wahr.

Wir nehmen Fahrt auf in Richtung Dushanbe, der Hauptstadt Tajikistans und biegen nach ein paar Stunden Fahrt, kurz vor dem Anzob Pass in’s Varzob Tal. Vor einer halsbrecherischen kleinen Brücke treffen wir zwei junge Herren auf Eseln. Sie versichern uns, dass die Brücke kein Problem sei und helfen uns sie heil zu befahren. Tatsächlich sind wir auf der anderen Seite des Flusses wohl auf und zur Feier werden wir von einem der jungen Herren auf das Grundstück seiner Eltern in den Bergen eingeladen. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten – es folgten 4 weitere solche Brücken. Als wir ankommen ist es bereits dunkel und ein Gewitter zieht über die Berge. Wir gönnen uns eine frühe Nacht im Zelt, am nächsten Morgen ist die Überraschung dann um so grösser. Wir befinden uns direkt am Fusse des fünft höchsten Berges in Tajikitsan, dem Chimtarga, mit fast 6000 Metern Höhe.

Der Berg hat uns wohl einen Extra Schub Energie verliehen, denn wir beschliessen unserer Gastgeber Familie beim Kartoffel Anpflanzen zu helfen, von Hand versteht sich. Noch 4 Tage später spüren wir den Muskelkater in unseren Oberschenkeln. Wir hoffen unsere Arbeit gut zu machen, denn verantwortlich für den ganzen Ernteertrag einer 12 köpfigen Familie zu sein, ist nicht ganz ohne.

Unsere Arbeit erledigt fahren wir ein paar Kilometer weiter und wollen den Tag am nahegelegenen Alaudin Lake verbringen. Unterwegs, wieder einmal am Tee trinken mit Locals, tauchen drei Typen auf und rasch stellt sich heraus, dass wir zusammen die sprachliche Vielfalt der Schweiz repräsentieren: Es handelt sich um einen Deutschschweizer, einen Französisch sprechenden und einen Tessiner. Nimmt man uns zwei hinzu, haben wir Deutschschweizer natürlich wieder einmal die Überhand.

Den Rest des Tages verbringen wir mit den Schweizern und ihren Freunden aus Deutschland, Frankreich und Italien am Lagerfeuer. Sie alle wohnen in Dushanbe und sind für Hilfswerke tätig.

Man isst am Lagerfeuer gekochte Spaghetti Carbonara, trinkt italienischen Wein und geniesst Unterhaltung auf Deutsch, Englisch und Französisch. Nach knapp 2 Monaten doch etwas spärlicher Konversation auf Russisch und mit Händen und Füssen, tut es gut wieder einmal eine tiefere Unterhaltung mit Westeuropäern zu führen.

Am nächsten Morgen wandern wir in verschiedene Richtungen, nehmen aber die Einladung von Laurie, dem Deutschschweizer, gerne an und werden ihn zwei Tage später in Dushanbe wieder sehen.

Aber vorerst gilt es eine andere Einladung einzuhalten. Unsere tajikischen Bekannten vom Tag zuvor haben uns in ihr richtiges Haus weiter unten im Tal, in ihrem Dorf, eingeladen. So geniessen wir einen Abend typischer tajikischer Gastfreundschaft in einer muslimischen Familie.

Am nächsten Tag machen wir uns wohl genährt auf zu unserem neuen Schweizer Freund, Laurie. Unterwegs gilt es aber noch den berüchtigten Anzob Tunnel zu durchqueren. Von den Locals wird er nur „Tunnel Of Death“ genannt und dies beschreibt ihn wohl recht gut: Ein 5 km langer Tunnel, ohne Licht, geschweige denn Lüftung, übersät mit tiefen Schlaglochern voller Wasser und entgegenkommenden Trucks ohne Licht. Ich denke, ihr habt die ungefähre Vorstellung. Es gilt Augen zu und durch und hoffen, dass es Licht am anderen Ende des Tunnels gibt. Der Fakt, dass ihr nun den Blog lest, spricht für unser Überleben und so sind wir ein paar Stunden später in Dushanbe in Laurie’s gemütlicher Wohnung. Wir erholen uns während zwei Tagen mit viel schlafen, lesen, Wäsche wachen und treffen interessante Leute aus aller Welt. Es tut gut unsere Batterien aufzuladen und dank Laurie’s unkomplizierter und freundlicher Art können wir dies voll auskosten!

2 Tage später verabschieden wir uns und machen uns auf in eines der Herzstücke unserer Reise: Dem Pamir Highway. Er ist das einzige Verbindungsstück durch Ost-Tajikistan und die zweithöchste Fernstrasse der Welt. Nach der Gründung der tajikischen sozialistischen Sowjetrepublik 1929 wurde kurz darauf mit dem Bau des Pamir Highways begonnen. Bereits vorher war die Passtrasse ein wichtiger Teil der Handelsroute der alten Seidenstrasse, doch erst mit dem Bau des Pamirs war eine Besiedlung in höheren Regionen möglich. Der Pamir Highway wird von der lokalen Bevölkerung oftmals nur schlicht „Die Strasse“ genannt, so stolz ist man auf ihren Bau.

Er ist jedoch noch gute 3 Tage Fahrt entfernt und bereits am nächsten Tag werden wir wieder eingeladen. Als wir spät Abends, erfolglos einen Schlafplatz suchend, bei einem Trailer auf einer Baustelle fragen, ob wir unser Auto für die Nacht neben ihnen abstellen dürfen, werden wir spontan zum Abendessen und später gleich noch zum Übernachten in’s Haus des einen Herren eingeladen. Dort werden wir in die Sitten und Bräuche einer streng muslimisch lebenden Familie eingeweiht. Der Hausherr zeigt sich überaus geduldig unserer Unwissenheit gegenüber. Obwohl alle Frauen des Hauses Kopftücher tragen, besteht er jedoch darauf, dass dies bei Frau Lamparter nicht nötig sei. Immer wieder staunen wir über die Offenheit und Toleranz der hier lebenden Muslime. Obwohl viele streng nach muslimischen Grundsätzen leben, wird dies von uns nicht erwartet. Passt man sich als Frau ein wenig an (lange Hosen, kein Dekolleté) wird dies sehr geschätzt und man wird problemlos auch in Gespräche älterer, eher konservativer Herren aufgenommen. Noch nie mussten wir Unfreundlichkeit, Intoleranz oder Respektlosigkeit spüren.

Nach dem Passieren von Qalai Khum befinden wir uns nun also auf dieser sagenumworbenen Strasse und folgen dem Fluss „Panj“, entlang der Afghanischen Grenze. Afghanistan ist teils nur ein Steinwurf entfernt und oft sehen wir junge Buben auf der anderen Seite des Flusses nackt baden und sobald sie uns erblicken lustige Tanzvorstellungen vorführen. Es fühlt sich etwas surreal an, so nahe bei Afghanistan zu sein, war dieses Land doch ein grosser Teil unserer täglichen Nachrichten zuhause. Auf der anderen Seite des Flusses ist jedoch alles sehr friedlich und schön und mich würde es reizen einen Abstecher in’s für uns verbotene Land (wir haben kein Visum) zu machen. Schade, dass eine Minderheit ein so schönes Land komplett zerstören kann.

Bei Khorog entscheiden wir uns bewusst für die längere, südliche Route, da sie kaum befahren und wilder sein soll.

Für hunderte von Kilometern folgen wir dem „Panj“, welcher gleichzeitig die natürliche Grenze darstellt. Das Tal ist eng, die Strasse ebenfalls. Seit Ishkashim befinden wir uns im Wakhan Korridor, der Pufferzone zwischen Tajikistan und Afghanistan, mit Blick auf den Hindukusch. Unglaublich, so nahe bei Afghanistan, Pakistan und China zu sein. Oftmals ist einem gar nicht mehr bewusst, wie weit weg man eigentlich von zu Hause ist.

So fahren wir also tagelang in diesem schönen Tal, umgeben von Bergmassiven: Der Hindukusch rechts, der Wakhan vor uns und links ragen der Karl Marx und der Engels Peak mit knapp 7000 Metern über Meer in die Höhe. Der einzige Dorn im Auge sind die noch stets zahlreich vorhandenen, aber nicht lokalisierten, geschweige denn markierten Minenfelder, so dass man für einen weiten Streckenabschnitt nicht in Flussnähe oder an’s Ufer gehen sollte. Wie perfide Minen doch sind – Die Landschaft liegt völlig friedlich vor uns und doch lauert die tödliche Gefahr überall.

Nach Langar sind wir sozusagen am Ende der Zivilisation angekommen, entfernen uns von der Afghanischen Grenze, knacken noch am selben Tag die 3000er und 4000er Marke und übernachten auf stolzen 4116 Metern über Meer. Die nächsten drei Tage verbringen wir zwischen 4200 und 4660 Metern. Das saftige Grün verabschiedet sich und wir landen in einer kargen, aber wunderschönen, komplett unbesiedelten Mondlandschaft. Tagelang fahren wir durch das Ende der Welt, sichten Steinböcke und Adler, aber keine Menschen. Überall liegen Geweihe von toten Tieren, wohl von Nomaden absichtlich platziert, man scheint hier eine Art Totenkult zu pflegen. Wir geniessen die Ruhe, welche auf dieser Höhe etwas Psychodelisches hat und diskutieren stundenlang über dies und das. Wie schön es doch ist, so etwas zusammen erleben zu dürfen!

Wir verlassen den Pamir und gleichzeitig Tajikistan in Richtung Kirgistan beim höchsten Grenzübergang auf unserer Reise, auf über 4200 Metern über Meer. Er wird auch der bis anhin schnellste sein, nach einer gefühlten halben Stunde, dem Aushändigen eines Päckli Zigaretten und einer Dose Rindergoulasch sind wir drüben.

Die letzten Tage im Pamir Gebirge waren etwa vom schönsten, was wir je gesehen haben, aber auch die härtesten Tage bis anhin. Nachdem Frau Lamparter zuerst einen Tag bei Minustemperaturen auf über 4000 Metern mit Fieber zu kämpfen hatte und danach an einer leichteren Art der Höhenkrankheit erkrankte, kam man schon an seine Grenzen. Umso schöner, wenn man dann einen Mann wie Herrn Lamparter als Gemahlen und sorgsamen Beschützer und Pfleger an seiner Seite hat.

2 Gedanken zu “Tajikistan – Das Land der Berge

  1. paul.amstutz1@bluemail.ch schreibt:

    hoi ihr beiden,euere Reiseberichte sind super!! sie machen mir eine riesen Freude. es ist schön zu wissen dass es euch gut geht und ihr gesund seit! in Gedanken bin ich viel bei euch,das ist ein eigenartiges gutes gefühl an euch zu denken,reiselust,und eine grosse Sehnsucht überwäldigt einem wenn mann euere zeilen liest und euere bilder sieht!! danke für diese eindrücke.so wünsche ich euch kraft Gesundheit und eine gute weiterfahrt,und freue mich auf weitere berichte,hab euch gern,ihr set super!! gruss pole

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  2. Amazing…It is so great to hear how very accepting and helpful the people you have met along the way have been! Humanity is alive 🙂 Keep being safe and enjoy the ride! big hugs to you both!

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